Nachtrag zu Richard Isay

von alexandreandhephaistion

Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen, mein letzter Post zu Richard Isay war insofern pietätlos, als der Mann 2012 verstorben ist. Er schreibt also sicherlich nicht munter weiter. In der Tat finde ich aber seine Arbeit immer noch bedenklich. Der englischsprachige Wikipedia-Artikel nennt ihn einen „moral leader“ und „a hero“. Ich frage mich, ob er nicht ein Anti-Held insofern ist, dass er für die immer noch auch in pseudo-wissenschaftlicher Arbeit herumschwirrende Gedankenblase der „femininen“ Kindheit homosexueller Männer verantwortlich sein könnte, da er sie entschlossen propagierte. (Widerlegt wurde diese interessanterweise in einem Artikel von NARTH, einer etwas obskuren amerikanischen Vereinigung, aber dazu später mehr.) Natürlich erfreut(e) sie sich einer gewissen Beliebtheit, da sie ins Klischeebild eines heterosexistischen Weltbilds passte, obwohl nicht so genau klar ist, wie genau „feminine“ Jungs denn sind, und ob Hetero-Männer nicht auch in der Kindheit „feminin“ waren? Vielleicht hat so ein Verhalten eher etwas mit Intelligenz generell zu tun?

Was Richard Isay nicht bedacht hat, ist erstens, dass in der Psychoanalyse das Verhältnis Analytiker-Klient gerne etwas obskur und grenzüberschreitend ist. Analytiker bieten sich auch laut ihren Berichten gerne mal als Vaterfigur etc an. So fragte ich mich bei seinen Arbeiten, ob nicht er einfach seine eigene Geschichte in seine Klienten hineingelegt und hineinprojiziert hat, und/oder damit auch eher Klienten anzog, deren Geschichte der seinen entsprach, da sie ihn aufgrund derselben Erfahrungen für vertrauenswürdig u.ä. hielten. Er strahlt ja auf den Fotos etwas irgendwie Feminines aus, wenn ich das so sagen darf, aber auch etwas Naives, wenn ich so ehrlich denn sein darf. Seine abwesenden Reflektionen über das Zustandekommen und die Natur seines „Datenpools“ sind ja doch irgendwo blauäugig.

Genauso leichtgläubig halte ich seine Schlussfolgungen, seine Klienten seien in der Kindheit so „feminin“ und damit vom Vater abgelehnt wie von der Mutter eingenommen/dominiert gewesen, weil sie homosexuell sind, und das die daraus entstehenden Verhaltensmuster (Suche nach dem Vater etc.) etwas Typisches für homosexuelle Männer seien. Dass diese Männer irgendwo nach ihrem Vater suchen, weil das Verhältnis Eltern-Kind in dieser Konfiguration so problematisch war, erscheint mir logisch, wer sagt aber, dass dies zwangsläufig mit ihrer Sexualität zusammenhängt, sondern eben einfach mit ihrem Verhalten in der Kindheit und dem Verhalten ihrer Eltern. Bei heterosexuellen Männern mit dieser Kindheitsproblematik würde man ja auch nicht gleich darauf schließen, dieses Verhalten in der Kindheit und die Reaktion der Eltern darauf wären etwas typisch Heterosexuelles. Irgendwo ist Richard Isays Arbeit doch symptomatisch dafür, wie generell Minderheiten in wenig reflektierter Wissenschaft oder Psychologie in Schubladen und Schablonen mit Rückschlüssen gesteckt werden, die der Mehrheit oft nicht angelegt werden.

Ein anderes Phänomen hier wird, wenn ich mich richtig erinnere, in Robert Allan Brookeys Arbeit sehr gut aufgedeckt, nämlich, dass homosexuelle Menschen, die irgendwo in dem ganzen (Szene-)Geschwafel um ihre Sexualität und zB ihre „schwule Identität“ sozusagen „aufgehen“, oft ihre eigene Kindheit oder ihre eigene Biographie dahingehend für sich selbst umschreiben, d.h, bestimmte Dinge akzentuieren oder durch ihre Sexualität erklären, und andere nicht mehr betonen, um einer gängigen „gay childhood“ u.ä. zu entsprechen. Die vorabgepackte „schwule Identität“ macht manche richtiggehend zu Klonen, ich dachte mir das letztens wieder, als ich eine „Frau“ traf, deren Stylevorbild irgendwo James Dean war und die daherredete wie ein Fratboy. Oder ein anderesmal traf ich zwei ältere Männer, deren Stylevorbild es zu sein schien, die überkandidelste, pseudo-stylische Designer-Kleidung zu tragen, um dabei möglich schwul auszusehen (?), aber sie wirkten beide eigentlich so dermaßen unglücklich von ihrer Ausstrahlung her, dass ich mir dachte, na ja, glad to be gay ist doch ein leerer Slogan oft, besonders wenn das „gay“ eine vorabgepackte Identität beinhaltet, die ja meistens eigentlich eine negative, selbstdestruktive Pseudo-Identität ist (jeder, der einmal mit offenen Augen in einer Szene-Bar war, weiß wohl, was ich meine).

Alle diese Dinge, die Szene, die vorabgepackten „schwulen“ Identitäten und Lifestyles, die dann auch oft noch fanatisch verteidigt und mit larmoyantem Nörglertum als so in Gefahr gesehen werden, ziehen in meinen Augen Leute an, die in ihrem Leben Traumen ausgesetzt wurden, und durch das Nichtverarbeiten dieser Erlebnisse (die mit ihrer Sexualität zusammenhängen können, oder auch nicht) solche fehlgeleiteten Coping-Strategien fahren. Eine sexuelle „anything goes“-Mentalität, oft verbunden mit einer fanatischen Begeisterung für zum Teil absurde Fetische beispielsweise ist wohl eine Verteidigung gegen eine repressive Pseudo-Moral, die Homosexualität sofort unumstößlich ablehnt, und die diesen Menschen vielleicht irgendwann einmal eingetrichtert wurde. „Wenn ich schon abnormal bin, dann aber richtig! Wenn schon homosexuell, dann aber bitte 24/7 und so richtig!“ Na ja. Eigentlich leben diese Menschen aber die ihnen verinnerlichten negativen Botschaften nur selbst wiederum aus. Wie auch diese Tunten und (Pseudo-)Drag Queens, die man ja heutzutage schockierenderweise noch unter Jugendlichen findet. Was da im Elternhaus etc abgelaufen ist, möchte ich gar nicht wissen. Gut geht es diesen Jungs aber sicherlich nicht.

Das war das Wort zum Sonntag ;o)!